Im Alter von 16 Jahren kam ich als Jugendlicher im Rahmen eines Einführungskurses im Autogenen Training zum ersten Mal in Kontakt mit der schrittweisen Reduzierung der Aktivität des Alltagsverstandes und den damit verbundenen deutlicheren inneren Sinneseindrücken. Obwohl ursprünglich nur als Ausgleich für mental anspruchsvolle Belastungen der Schule gedacht, war dies auch der Beginn einer sich weiter und weiter entwickelten Faszination an innerer Entwicklung.
Über die nächsten Jahre wurde klar, dass die üblichen sportlichen Betätigungsfelder zu einem Großteil den Körper trainieren, zu einem gewissen Teil die Willenskraft und dass aber das Wachstum an Willenskraft den absehbaren Verfall der körperlichen Leistungsfähigkeit nicht würde kompensieren können, da gerade diese gesteigerte Willenskraft in der Regel den Körper nach einer kurzen Blütezeit mehr und mehr verschleißt.
Gleichzeitig dämmerte die Einsicht, dass ein wachsendes spirituelles Interesse durch das Eigenstudium von Erfahrungsberichten und antiken biblischen und buddhistischen Texten zwar erhalten blieb, aber ohne kompetente persönliche Unterweisung in diesem mir wichtigen Lebensaspekt kein inneres Wachstum angeregt werden und nur ein hohler intellektueller Wissensballast entstehen würde.
Zwar noch ohne konkreten Plan aber geführt durch die Faszination an rätselhaften Legenden von tieferen Wissen angeregt durch ziemlich populäre Kung Fu- und Karate-Filme, die die Verbindung von tiefgründigen, geheimnisvollen Lehren, geistiger Schulung und ungewöhnlichen Fähigkeiten in der Kampfkunst darstellten, begann ich während meines Studiums mit der Suche nach etwas Vergleichbarem, das nicht im Orient sondern in Berlin unterrichtet wurde. Ende der Achtziger Jahre kam ich in Kontakt mit Taiji.
Diese antike chinesische Kampf- und Bewegungskunst versprach in ihren Mythen vom Gründer und den großen herausragenden Persönlichkeiten der letzten 200 Jahre eine sagenhafte weiche Kraft, die einen Gegner mit Leere empfing, wo er Härte erwartete, und ihm dadurch seine Kraft nahm, um sie im gleichen Moment gegen ihn verwenden.
Die Prinzipien dieser Kampfkunst wurden in rätselhaften Klassischen Schriften des Taiji vorgestellt und erläutert, die wiederum Bezug nahmen auf sehr, sehr alte Texte wie zum Beispiel dem I Jing (Buch der Wandlungen) oder dem Dao De Jing (Buch vom Weg und der Tugend).
Neben der ganz praktischen Anwendbarkeit spielte hier auch immer der spirituelle Hintergrund in allem eine entscheidende Rolle.
Somit gab es genug Zusammenhang zu tiefer gehenden Lehren und zumindest eine theoretische Aussicht auf ungewöhnliche Fähigkeiten, die in einem relativ freundlichen Sparring - genannt Push-Hands - mit wechselnden Partnern trainiert wurden. Bei diesen Übungen versucht man das durch die Solo-Übungen (Form etc.) erworbene Verständnis für den Prozess und die Einflussfaktoren auf die eigene Kraftentwicklung und Balance im Hinblick auf die gleichen Aspekte des Partners durch Feingefühl und Timing zu erweitern und zu vertiefen.
Ich begann mit Taiji und lernte zuerst die Yang-Form nach William C.C. Chen, einem persönlichen Schüler von Zheng Manqing, und später auch die Kurzform nach Zheng Manqing. Gleichzeitig versuchte ich so viel Push-Hands zu üben wie möglich.
Nach sieben Jahren hatte die Form eine vertretbare Präzision und im Push-Hands war eine akzeptable Gewandtheit und Geschicklichkeit erreicht. Dennoch konnte ich damit bei wesentlich kräftigeren oder schwereren Partnern nicht viel ausrichten, selbst wenn diese nicht so viel Erfahrung hatten.
Die Taiji-Klassiker mit ihren rätselhaften Hinweisen blieben ebenso ein Mysterium wie die Antwort auf die Frage, inwieweit die Formarbeit das Push-Hands verbessern könnte. Allein aus der Tatsache, dass die langsamen und entspannten Bewegungsabfolgen die Grundlage für die Erlangung dieser Fähigkeiten darstellen sollten, wurde langsam klar, dass größere Muskelkraft oder Geschwindigkeit nicht das Ergebnis dieses Trainings werden würde. Wie sonst sollte man dann aber einen Partner überwinden? Und wie war das mit der Spritualität?
In diesen Punkten schien das Training unvollständig und der Fortschritt damit begrenzt zu sein. Mitte der neunziger Jahre besuchte ich ein internationales Taiji-Netzwerktreffen in Italien und lernte sehr viele Taiji-Enthusiasten aus ganz Europa kennen. Diejenigen, die mich beim Push-Hands durch ihre Weichheit und Effizienz beeindruckten, nannten alle die gleiche Person als ihren Lehrer: Patrick Kelly. (www.patrickkellytaiji.com)
Bereits auf dem ersten Workshop (Wien, Nov. 1995) von Patrick Kelly wurden meine vorsichtigen Erwartungen bei weitem übertroffen. Es wurde schnell deutlich, warum Taiji eine "innere" Kunst ist, bei der das Training und die Entwicklung des Tiefen Geistes mit seinen drei Aspekten eine herausragende Rolle spielen.
Die Art und Weise, wie der Taiji-Unterricht von Patrick Kelly präsentiert wurde, sowie seine Fähigkeiten im Push-Hands, die alles, was ich vorher gesehen und erlebt hatte, bei weitem in den Schatten stellten, vermittelten die Gewissheit, dass hier jemand wusste, wovon er sprach. Und wenn er über Taiji sprach, gab es keine Geheimnisse. Jede Frage war erlaubt und wurde klar, präzise und umfassend beantwortet. Dabei wurden nach und nach auch die Schemen eines komplexen, schlüssigen Systems sichtbar, das und nach dem er unterrichtete. Als Bonbon obendrauf entstand der Eindruck, dass es - bei aller Offenheit immer noch mehr gab, von dem er nicht sprach. Das machte die Sache spannend für später.
Auf jeden Fall war ein Lehrer gefunden, der mich an die Pforte zu einem tieferen Verständnis von Taiji führen konnte, obwohl es noch einige Jahre dauern sollte, bis ich diese Pforte durchschritt.
Mit mehr als fünfundzwanzig Jahren an intensiver Unterweisung sind die grundlegenden Prinzipien der elastischen inneren Körperkraft klar genug, um sie auch als einer von Patrick Kellys Senior Instruktoren unterrichten zu können.
Allen, die auf der Suche nach diesen tieferen, inneren und nicht offensichtlichen Inhalten des Taiji sind, ist mein Unterricht gewidmet.